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**Puh** Gomringer. Da muss man eigentlich nix mehr zu sagen, das ist schon ziemlich durch, oder?
Entweder man regt sich über die vermeintlich künstliche Aufregung über das Gedicht auf, oder, wenn man das Gedicht selbst als Stein des Anstoßes betrachtet, dann setzt man sich der Gefahr aus, dieser „ein alter weißer cis-Mann schreibt über Frauen-Fraktion“ zugeordnet zu werden, wer auch immer diese Fraktion auch sein soll.

Sieht insgesamt so aus, als wäre die Empörung über die Empörung größer und gewichtiger; Kritik am Gedicht wird nicht ganz ernst genommen.

Dabei scheint mir diese Kritik an den Alleen durchaus … zutreffend.

Und das will ich erklären, und zwar mittels Selbstpositionierung. Positionierung deshalb, weil diese eigene Verortung sich nicht an Identitäten entlang hangelt, also nicht ausschließend agiert, sondern verschiedene, in mir liegende Aspekte aufgreift.

… diese Aspekte (man kann ihnen unter Umständen den Vorwurf machen, einen intersektionalen Ansatz zu verfolgen) sind nicht immer kohärent, sondern durchaus widersprüchlich, unvollständig. Ich will, wie ich das oft und gern tue, auch zum Zwecke der Dokumentation des Denkens, offen legen, welche Hintergründe mich zu welchen … Schlüssen führen, so vorläufig diese auch sein mögen.

Da wäre ein offensichtlicher Kontext: als Frau stößt mir das Gedicht tatsächlich auf. Ja, ich bin vermutlich nicht unvoreingenommen, ich lese dieses Gedicht aus einer Gender-Perspektive, und zwar eindeutig aus der Perspektive einer Frau. ** Einer** Frau, sprich: meine Perspektive ist nicht die Perspektive aller Frauen. Und doch: ich teile ein Unbehagen, fühle mich unwohl. Der Text ruft Assoziationen an eher bedrohliche Situationen wach, er macht ein flaues Gefühl im Magen.

Und gleichzeitig lese ich diese-meine Lesart als eine mögliche Lesart. Hach, was habe ich früher Gedichte gemocht, oder Songtexte (wenn nur die Musik nicht wäre!). Ich mag Doppeldeutigkeiten, ich würde gern auf den Putz hauen, würde Sprache viel zugespitzter verwenden wollen, provozieren. (In Anlehnung an all die New York-Hoodies und eine frühere Aktion des Jüdischen Museums in Berlin hätte ich mir gerne mal ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Oswieciem“ drucken lassen, und zwar grade aus Protest gegen das Vergessen.)

Worauf will ich hinaus? Ach so, ja: darauf, dass es mehr als eine Lesart der avenidas gibt. Hach, Begehren. Das auszudrücken ist doch irgendwie nice, weg mit der steten Strenge, her mit dem Hedonismus, und zwar nicht nur für tote alte weiße cis-Männer.

Allerdings: von denjenigen, die hier (mal wieder?) die alten cis-Männer verteidigen: sehen die vielleicht auch … meine Lesart, und hier meine ich meine Lesart als Frau? Bzw. die derjenigen, die das Gedicht nun eben ausgewechselt sehen wollen?

Ralph Müller macht das in der Süddeutschen angenehm differenziert: er positioniert sich, bzw. 3 mögliche Interpretationen des Gedichts, erklärt und versteht und macht deutlich, wessen Meister Schüler er jeweils ist. Diese Art von Positionierung scheint mir hilfreich und erlaubt, jenseits der Über-Identifikation, die Patsys Anhänger mit den Beißreflexen angeprangert haben.

Wenn ich mich demzufolge also in die Positionierungen einreihe, würde ich an dieser Stelle, der Suche nach einem zutreffenden Sachurteil folgend, noch offenlegen (müssen), ob ich Anhänger der Critical Whiteness bin, ob ich PoCo-Positionen teile, ob ich Schwarzer mag und auf welcher Seite ich im NOK stehe. Jaja, jetzt fange ich an, zu polemisieren. Vielleicht schau ich erstmal Tatort. Die anderen Positionierungen lasse ich ergo erstmal offen. (Es liest doch eh niemand mehr Blogs, besser also, die Pointe kommt in Portionen!)

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